SKULPTUREN-KABINETT
Kabinett für zeitgenössische Bildhauerei

Hans Steinbrenner

Zum Entstehungsprozeß
der großformatigen Skulpturen
:

"In der Zeichnung nimmt die Idee ihre erste Gestalt an, werden Motive und Zeichen entwickelt. Im Modell wird der zeichnerische Entwurf auf seine plastische Umsetzbarkeit überprüft, bevor die großformatige Skulptur realisiert wird. Diese traditionellen Schritte bei der Entwicklung einer Figur geht auch Steinbrenner. Seine Skulpturen aus Holz bzw. Stein bearbeitet er ohne Zuhilfenahme moderner Geräte und Techniken mit Stecheisen und Axt bzw. Meißel und Prellhammer. Er ist ein Bildhauer im wörtlichen Sinn. .......

Die Zeichnung spielt auch in der biomorphen Perioode von Steinbrenner eine besondere Rolle bei der Formfindung, das gilt fur die Entwurfszeichnung wie die daneben entstehende freie Zeichnung. Jetzt nicht mehr an die menschliche Figur gebunden, ändert sich sein Zeichenstil. Die freie Modellierung biomorpher Volumen ist, wie zahlreiche Korrekturen und immer neue Ansätze in seinen Entwurfszeichnungen belegen, komplizierter als die Ausformung vorgegebener figürlicher Schemata; das betrifft auch die Skulptur. Freie Tusch- und Kohlezeichnungen entstehen in dieser Periode häufiger als Entwurfszeichnungen. Trotzdem sind auch die freien Zeichnungen für sein plastisches Werk wichtig, da dessen Formkanon sich auf jene bezieht. ...

Seit 1960 werden die organischen Formen kubisch verfestigt und zudem frontalisiert. Die letzendlich ausschließliche Anwendung orthogonal ausgerichteter Quaderformen basiert auf auf einem neuen bildhauerischen Denken im Vergleich mit den naturhaften Rundumgebilden der 50er Jahre. Eine ähnliche Neuorientierung ist um 1960 allenthalben in der Kunstszene festzustellen, wo biomorphe Formen und informelle Strukturen in geometrische Ordnungen überführt werden. Steinbrenner geht diesen Weg selbständig. Die Arbeit in seinem Freilandatelier führt ihn zu architektonischen Grundformen, die sich gegenüber der umgebenden Natur behaupten können....

Steinbrenner gelangt 1960 zu einer neuen Definition der Figur, die nicht durch Abstraktion entsteht, sondern als eine von Erinnerung und Zweck freie Zusammenstellung von Volumen. Die Figur wird jetzt als ein synthetisches Gebilde verstanden, das seine kunstgeschichtlichen Wurzeln im späten Werk von Piet Mondrian hat. Ohne weitere namentliche Unterscheidung heißen alle seine Skulpturen seit 1960 nur noch Figuren. Mit ihrem einfachen Aufbau und ihrer hieratischen Strenge wirken sie wie Urbilder und als seien sie ohne differenzierende Entwürfe und weitere Vorarbeiten entstanden, doch täuscht dieser Eindruck. Zahlreiche Skizzenbücher veranschaulichen die hohe Bedeutung des zeichnerischen Entwurfs im Entstehungsprozeß der Bildwerke. In kleinformatigen Zeichnungen entwickelt, dabei oftmals alle vier Ansichten nebeneinander gestellt.....Befriedigt es als Kleinplastik, wird das Modell in Bronze gegossen. Bei der Übersetzung in die Großform kommt es naturgemäß zu Abweichungen vom Modell. Die Figur wird im Liegen bearbeitet und mit der Rückseite begonnen, die durch ein flaches Relief gekennzeichnet ist. An der Vorderseite sind die Elemente raumgreifender.....

....Seine Figuren bergen Raum, dienen der Verortung des Raumes, sind Orte im Raum, dessen Variationen sie ebenso erfahrbar machen wie dessen unveränderliche Eigenheit und Größe."

Herbert Dellwing in "Hans Steinbrenner - Zeichnung. Modell. Skulptur", Katalog zur Ausstellung im Kunstverein Speyer vom 15. Januar bis 12. Februar 1995


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